Autor Thema: Ablauf Verhandlung  (Gelesen 7011 mal)

Tine1000

  • Gast
Ablauf Verhandlung
« am: August 22, 2006, 08:41:42 Vormittag »
Hallo,



hoffe dringend auf eure Hilfe. Ich habe ein sehr schlechtes Zeugnis bekommen, sogar inkl. Rechtschreibfehler und möchte Einspruch erheben. Arbeitsrechtschutz habe ich. Wie läuft eine Verhandlung ab, wenn ich gegen das Zeugnis Einspruch erhebe? Muss ich anwesend sein, oder nur der Anwalt? Wird jeder Punkt des Zeugnises einzeln verhandelt oder klage ich mein "Wunschzeugnis" ein? Was passiert wenn ich verliere, dann trage ich doch die Gerichtskosten, oder?

Sorry, bin fix und alle und total verwirrt.

Danke schonmal für die Antworten

Mike

  • Gast
Ablauf Verhandlung
« Antwort #1 am: August 23, 2006, 03:11:59 Vormittag »
Immer mit der Ruhe  :D
Vielleicht versuchst du es erstmal mit einer freundlichen Bitte um Korrektur. Es ist ja auch nicht im Interesse des Ex-Arbeitgebers, wenn seine Zeugnisse fehlerhaft sind. Vor dem Arbeitsgericht zahlt erst mal jede Partei ihre Kosten selbst, egal wer gewinnt. Wenn du eine Versicherung hast, musst du die erstmal fragen, ob sie die Kosten übernehmen. Die werden dann sowieso die Erfolgsaussichten prüfen.  

Jetzt zum Wichtigsten: Du musst ganz genau wissen, was am Zeugnis aus welchem Grund alles unvorteilhaft ist und wie du es statt dessen haben möchtest. Das Wissen über die Zeugnismängel verschafft dir eine Zeugnisanalyse (bzw. hier bei arbeitszeugnis.de  heißt es "Zeugnistest"). Danach kannst du dein Zeugnis nach deinen Vorstellungen fachmännisch überarbeiten lassen und dann müsstest du zusehen, wie du das beim Arbeitgeber durchbekommst. Entweder freundlich oder per Klage. Wobei sich die Parteien fast immer sehr schnell außergerichtlich einigen. Vor Gericht geht es immer um die Nachweisbarkeit. Genauer ist das hier erklärt: http://www.arbeitszeugnis.de/rechtsberatung.php. Hier findest du auch ein Musteranschreiben an den Arbeitgeber mit der Aufforderung zur Korrektur.
Viel Erfolg!

Tine1000

  • Gast
Ablauf Verhandlung
« Antwort #2 am: August 23, 2006, 16:55:11 Nachmittag »
Dankeschön Mike!

Die Zeugnisanalyse ist gerade in Arbeit. Am besten ich rufe danach mal ganz nett dort an und weise auf die Rechtschreibfehler hin, und mit was ich nicht zufrieden bin. Dann kann ich ja immernoch das Musterschreiben rausschicken, denn freundlich hört sich das nicht an. Oder doch gleich zuerst das Schreiben raussenden? Was meint ihr?

Die Kosten übernimmt zum Glück meine Rechtsschutzversicherung. Das Problem ist, das ich viele Krankzeiten hatte und eine Abmahnung wegen zu spät kommens bekommen habe. Nachweisbar wäre das dann schon, oder bedeutet außergerichtlich das es der Arbeitgeber auch bei Nachweisbarkeit erst gar nicht auf einen Prozess ankommen läßt, eventuell aus Publicitygründen????? Ihr seht ich habe  so gar keine Ahnung  :oops: Wir sind nicht wirklich in Frieden auseinander gegangen.

gast

  • Gast
Ablauf Verhandlung
« Antwort #3 am: August 24, 2006, 09:39:00 Vormittag »
Wäre wirklich froh um eure Einschätzung. War 5 Jahre in dem Unternehmen, habe vor 3 Jahren ein echt gutes Zeugniss bekommen und die Schwierigkeiten gab es erst im letzten Jahr mit meinem neuen Chef. Wird das nicht in Relation gesetzt? Habe nur leider keine Beurteilungsbögen in Kopie......Läßt es ein Unternehmen wirklich auf eine Verhandlung ankommen, oder sind das nur wieder ein paar Steine mehr in den Weg geworfen. Wie gesagt, der ganze Stress spielte sich nur im  letzten Jahr ab.

Danke schonmal im Voraus!

Tine1000

  • Gast
Ablauf Verhandlung
« Antwort #4 am: August 26, 2006, 16:46:43 Nachmittag »
Sorry, der Gast war ich. Wäre froh wenn ihr nochmal drüberschaun könntet und mir sagen würdet was ihr davon haltet.

Danke schonmal im voraus!

Gast123

  • Gast
Ablauf Zeugnisverhandlung
« Antwort #5 am: August 31, 2006, 01:38:59 Vormittag »
Hallo Tine,
 
da Du schon ein Zeugnis erhalten hast, klagst Du üblicherweise auf Zeugnisberichtigung. Üblich ist es, daß Du (bzw. Dein Anwalt) einen Gegenvorschlag formulieren. Die Klage lautet dann auf Ausstellung dieses Gegenvorschlages.

Nach Klageerhebung wird der Richter zunächst einen Gütetermin festlegen und versuchen, daß Du Dich dort mit der gegnerischen Partei einigst.

Sowohl der Richter, als auch die Anwälte haben ein Interesse daran, daß Ihr die Zeugnisstreitigkeiten schnell beilegt.

Die Richter möchten Kleckerkram wie Zeugnisse gerne schnell loswerden. Die Arbeit der Kläger, die Zeugnisse geändert haben möchten, können sie nur schwer selbst beurteilen und müssen daher "wischiwaschi"-Urteile fällen.
Für die Anwälte ist ein im Vergleichsverfahren erledigter Fall ein vergleichsweise leicht verdientes Geld. In den Güteverhandlungen verdienen sie nur unwesentlich weniger Geld als im streitigen Verfahren. Gleichwohl ist ein streitiges Verfahren sehr viel langwieriger und aufwendiger. Zunächst muß exakter begründet werden, es müssen Zeugen vernommen werden, eventuell geht die Verhandlung über mehrere Tage usw.

Wie gute Karten Du im Vergleichsverfahren hast, hängt also teilweise davon ab, welches Interesse die Anwälte (Dein eigener Anwalt und die Gegenpartei) an dem Verfahren haben.

Wichtig sind - wenn es um das streitige Verfahren geht - die Zeugen und alle Beweisstücke, die Deine gute Arbeit beweisen. Dein Zwischenzeugnis kann ein Trumpf sein, denn wenn das Zwischenzeugnis gut ist, ist tendenziell der Arbeitgeber in der Pflicht zu beweisen, daß Du schlechter geworden bist.

Zeugen spielen auch eine wichtige Rolle. Gut ist, wenn sie nicht direkt von Deinem Chef abhängen. Dann sagen sie eher unbefangen die Wahrheit. Es ist möglicherweise sinnvoll, viele Zeugen zu laden. Dann spricht sich Dein Fall nämlich schnell in der Belegschaft herum, woran Dein Chef normalerweise kein Interesse haben sollte. Viele Zeugen verringern auch die Freude des gegnerischen (leider auch des eigenen) Anwalts an dem Verfahren. Viele Zeugen bedeuten nämlich auch viel Arbeit.

Kunden als Zeugen können die Vergleichswilligkeit eines Arbeitgebers im Zweifel nochmals erhöhen, denn kaum ein Arbeitgeber möchte, daß solche Interna vor den Kunden verhandelt werden.

Ich kenne natürlich die Details Deines Falles nicht, ich will Dir aber ein wenig Mut machen. Zeugnisprozesse enden oft im Vergleich. In einem Prozeß kann sich Dein Zeugnis eigentlich nur verbessern.

Gleichwohl: In der ersten Instanz bezahlst beim Arbeitsgericht jeder seine eigenen Anwaltskosten - egal wer gewinnt. Die Gerichtskosten entfallen bei einem Vergleich. Im streitigen Verfahren bezahlt sie der Verlierer. Wenn Du eine Rechtschutzversicherung hast, solltest Du sie fragen, ob sie Deinen Fall übernehmen. Dann kannst Du Dich anwaltlich beraten lassen.

Ein allgemeiner Rat trotzdem: Es zahlt sich für Dich immer aus, wenn Du freundlich aber bestimmt um Dein Recht kämpfst. Dein Arbeitgeber ist auch nur ein Mensch. Möglicherweise einer, den Du nicht leiden kannst - aber sicher einer, der auch beleidigt sein kann.


Gruß,
  Michael


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