Autor Thema: Ein Zwischenzeugnis nicht ganz Standard, wer kann helfen?  (Gelesen 3843 mal)

Daniel

  • Gast
Ein Zwischenzeugnis nicht ganz Standard, wer kann helfen?
« am: Januar 10, 2006, 07:21:57 Vormittag »
Mein Chef hat mir ein Zwischenzeugnis ausgestellt, was nicht unbedingt die Standardformulierungen enthaelt. Ich finde das gar nicht schlimm, nur habe ich ueberhaupt keine Ahnung, was 'wirklich' gemeint ist. Da ich nicht unbedingt im Frieden gehe, weiss ich nicht, ob sich hier nicht versteckte Bosheiten eingeschlichen haben. Zunaechst moechte ich nicht von irgendwelcher Missgunst ausgehen, aber trotzdem sichergehen.

Der Text ist wie folgt:


Zwischenzeugnis


Herr X, geboren am …., ist seit dem 1. Juli 2004 als Leiter Technik und Qualitäts-management in unserem Unternehmen beschäftigt.

Herr X wurde von uns auf Grund seiner früheren Erfahrungen noch im gleichen Monat in China in unserem Werk in X mit ca. 100 Mitarbeitern als Vice-General-Manager mit der verantwortlichen Leitung der Produktion, dem Qualitätsmanagement und der Entwicklung eingesetzt.

Neben der Produktionssteuerung und –überwachung hat er auch zeitig damit begonnen, die Zertifizierung des Unternehmens nach ISO 9001 und TS16949 einzuleiten, die notwendigen, umfangreichen Dokumentationen zu erstellen, die betrieblichen Abläufe zu beschreiben, einzuführen und zu überwachen. Auch bei den Zulieferern mussten diese Abläufe eingeführt, abgestimmt und kontrolliert werden. Da sich die chinesische Mentalität und das Qualitätsbewusstsein von den deutschen Auffassungen erheblich unterscheiden, wird dieser Aufgabe eine sehr große Bedeutung beigemessen.

Herr X setzt seine profunden Fachkenntnisse jederzeit adäquat und ergebnisorientiert in seinem Tagesgeschäft ein. Alle Fragen, vor allem technischer Art, werden von ihm stets prompt und kompetent beantwortet.

Sein Management ist gekennzeichnet von sorgfältiger Planung, wobei die erforderlichen Prozessschritte sinnvoll umgesetzt werden.

Herr X überblickt schwierige Zusammenhänge stets sehr schnell, erkennt das Wesentliche unmittelbar und zeigt stets sofort praktisch durchzuführende Lösungen auf. Dank seiner sehr
schnellen Auffassungsgabe erkennt er auch schwierige Situationen sofort.

Herr X überzeugt jederzeit durch sein systematisches Denken und Handeln.

Herr X arbeitet in unserem Werk in X, China sehr gut. Da die Verständigung mit den ausschließlich chinesischen Mitarbeitern sehr schwierig ist, kommen ihm seine ausgezeichneten Englischkenntnisse sehr zugute.

Herr X zeigt Initiative und identifiziert sich völlig mit seinen Aufgaben. Er zeigt stets ausgeprägtes Pflichtbewusstsein und hohen Einsatz.

Auch bei starken Arbeitsaufkommen behält Herr X stets die Übersicht und trifft seine Entscheidungen völlig kontrolliert und sicher.

Herr X arbeitet stets zuverlässig und handelt immer verantwortungsbewusst. Er ist teamfähig und sorgt stets für Zusammenarbeit der an einer Aufgabe beteiligten Abteilungen.

Herr X hat seine Mitarbeiter stets sachgerecht angeleitet und positiv motiviert. In diesem Zusammenhang werden regelmäßig Mitarbeiterschulungen mit Erfolg durchgeführt.

Herr X ist wegen seines stets freundlichen und hilfsbereiten Auftretens ein beliebter und geschätzter Ansprechpartner. Sein Verhalten gegenüber Kunden,  Geschäftsleitung und Mitarbeitern ist stets loyal und korrekt.

Herr X wird unser Unternehmen zum 31. März 2006 auf eigenen Wunsch verlassen. Dieses Zwischenzeugnis wurde auf Grund seiner Anforderung erstellt.      


Folgende Fragen:

1. Welche Noten haben die einzelnen Formulierungen in etwa?
2. Welche Formulierungen lassen auf etwas negatives schliessen oder beinhalten etwas verstecktes?
3. Welche Formulierungen fehlen?
4. Was ist die Gesamtnote des Zeugnisses in etwa?
5. Ist dieses Zeugnis einer Fuehrungsposition entsprechend oder muss es da andere Formulierungen geben?

Wer sich mit Zeugnissprache auskennt, bitte ein Urteil abgeben.

Gruss, Daniel

Klaus Schiller

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Ein Zwischenzeugnis nicht ganz Standard, wer kann helfen?
« Antwort #1 am: Januar 10, 2006, 13:13:03 Nachmittag »
Es handelt sich um Standard-Textbausteine, die sich teilweise wiederholen ("erkennt er auch schwierige Situationen sofort"; "Herr X überblickt schwierige Zusammenhänge"; "behält stets die Übersicht") bzw. zusätzlich noch einmal aufgewertet wurden ("überblickt schwierige Zusammenhänge stets sehr schnell, erkennt das Wesentliche unmittelbar und zeigt stets sofort praktisch durchzuführende Lösungen auf."). Die wirklich wichtigen Aussagen (Leistungszusammenfassung mit dem Grad der Zufriedenheit, die Bewertung des Erfolges, ein Dank und ein Bedauern des Ausscheidens) fehlen hingegen, was dem Zeugnis insgesamt einen zwiespältigen Eindruck vermittelt.

Eine detaillierte Aufgabenbeschreibung fehlt. Unvorteilhaft sind darüber hinaus Aussagen wie "Herr X wurde ... eingesetzt" (Passivkonstruktionen verweisen auf fehlende Eigeninitiative), "hat er auch zeitig damit begonnen, die Zertifizierung einzuleiten" (sie aber nicht zum Abschluss gebracht?!"), "mussten Abläufe eingeführt, abgestimmt und kontrolliert werden" (=fehlende Eigeninitiative), "Da sich chinesische ... Qualitätsbewusstsein von den deutschen Auffassungen erheblich unterscheiden..." usw.

Bitte beachten Sie: Dies ist keine vollständige Zeugnisanalyse, sondern nur ein Kommentar zu beispielhaften Auffälligkeiten. Eine vollständige detaillierte Zeugnisanalyse erhalten Sie hier: http://www.arbeitszeugnis.de/zeugnistest.php
Wenn Sie das Zeugnis von Experten aufwerten lassen möchten, um beim Arbeitgeber direkt diese unterschriftsreife, verbesserte Zeugnisfassung als Formulierungsvorschlag einzureichen, finden Sie hier schnelle und günstige Hilfe:
http://www.arbeitszeugnis.de/ueberarbeitung2.php

Weitere Informationen finden Sie auch im Artikel "Wie können Sie sich gegen ein ungerechtes Arbeitszeugnis wehren?" unter http://www.arbeitszeugnis.de/rechtsberatung.php
Klaus Schiller, arbeitszeugnis.de
Personalmanagement Service GmbH
schiller@arbeitszeugnis.de

- Alle Angaben ohne Gewähr -

Daniel

  • Gast
Zwei Fragen an Herrn Schiller (oder andere) noch
« Antwort #2 am: Januar 13, 2006, 08:54:48 Vormittag »
Hallo Herr Schiller,

gut, dass mit den fehlenden Beurteilungen habe ich verstanden, das mit den Passivkonstruktionen auch.

Zur Info: Die Zertifizierung habe ich tatsaechlich nicht zu Ende gefuehrt. Da der Vorlauf fuer eine derartige Zertifizierung auch ohne Dokumentationserstellung und Schulungen ein Jahr ist, waere das auch nicht moeglich gewesen. Ich gehe deshalb mal davon aus, dass die Formulierung deshalb so ok ist. Falls nicht, eben kurz nochmal ansprechen, bitte.

So nun zu den zwei Fragen:

1. Der Text:

'Da die Verständigung mit den ausschließlich chinesischen Mitarbeitern sehr schwierig ist, kommen ihm seine ausgezeichneten Englischkenntnisse sehr zugute.'

erscheint mir etwas verdaechtig. Heisst das, dass ich mit den chinesischen Mitarbeitern nur Streit gehabt habe und ausser auf Englisch rumzumeckern nichts dagegen unternehmen konnte?

2. Man hat mir gesagt, dass dieses Zeugnis eigentlich nicht einer Fuehrungsposition fuer ca. 70 Mitarbeiter entsprechend ist. Inwiefern unterscheidet sich das Zeugnis einer Fuehrungskraft von dem eines Mitarbeiters ohne Fuehrungsverantwortung?


Vielen Dank fuer Ihre Muehe.

Klaus Schiller

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Ein Zwischenzeugnis nicht ganz Standard, wer kann helfen?
« Antwort #3 am: Januar 13, 2006, 20:04:12 Nachmittag »
Zur Info: Die Zertifizierung habe ich tatsaechlich nicht zu Ende gefuehrt.
Aufgrund der Wohlwollenspflicht wird ausbleibender Erfolg in Arbeitszeugnissen oft indirekt ausgedrückt. Daher sind Formulierungen wie "er hat damit begonnen" generell unvorteilhaft
 
'Da die Verständigung mit den ausschließlich chinesischen Mitarbeitern sehr schwierig ist, kommen ihm seine ausgezeichneten Englischkenntnisse sehr zugute.'
erscheint mir etwas verdaechtig. Heisst das, dass ich mit den chinesischen Mitarbeitern nur Streit gehabt habe und ausser auf Englisch rumzumeckern nichts dagegen unternehmen konnte?

Das heißt es sicher nicht. Aber dennoch ist die Aussage nicht logisch. Wenn die chinesischen Mitarbeiter englisch verstehen und sprechen, ist die Verständigung nicht schwierig. Wenn Sie über einen Dolmetscher mit den Mitarbeitern kommunizieren, benötigen Sie keine ausgezeichneten Englischkenntnisse.    

2. Man hat mir gesagt, dass dieses Zeugnis eigentlich nicht einer Fuehrungsposition fuer ca. 70 Mitarbeiter entsprechend ist. Inwiefern unterscheidet sich das Zeugnis einer Fuehrungskraft von dem eines Mitarbeiters ohne Fuehrungsverantwortung?
Abgesehen davon, dass das Zeugnis auch gemessen an einer einfachen Tätigkeit unvollständig wäre, besteht es wie gesagt nur aus pauschalen Standard-Textbausteinen. Ein Zeugnis für eine Führungskraft sollte individueller und aussagekräftiger ausfallen, inbesondere in den Abschnitten Fähigkeiten und Erfolge, aber auch im Verhaltensteil. Ein Zeugnis für eine Führungskraft sollte zudem Aussagen zur Führungsleistung (Motivation der Mitarbeiter) und ggf. zur interkulturellen Kompetenz beinhalten, die in Ihrem Fall ebenfalls fehlen. Die pauschale Kritik am Qualitätsempfinden oder an den Sprachkenntnissen der chinesischen Partner und Mitarbeiter ist hinsichtlich der interkulturellen Kompetenz kontraproduktiv.

Wenn Sie das Zeugnis von Experten überarbeiten lassen möchten, um beim Arbeitgeber direkt diese unterschriftsreife, verbesserte Zeugnisfassung als Formulierungsvorschlag einzureichen, finden Sie hier kompetente Hilfe:
http://www.arbeitszeugnis.de/ueberarbeitung2.php


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