Autor Thema: Etwas knapp und auch nicht allzu gut, oder?  (Gelesen 4142 mal)

Spyke

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Etwas knapp und auch nicht allzu gut, oder?
« am: Mai 09, 2005, 17:29:52 Nachmittag »
Hallo,

ich habe meinen Vorgesetzten darum gebeten, mir ein Zwischenzeugnis auszustellen, da mein Arbeitsvertrag planmäßig in 6 Monaten endet und eine Verlängerung nicht vorgesehen ist bzw. nie war. Die Tätigkeitsbeschreibung ist auch recht umfangreich und treffend (ich arbeite im Auftrag meines Arbeitgebers als Projektleiter für ein großes Industrieunternehmen mit verhältnismäßig wenig Kontakt zu meinem Vorgesetzten, dem Aussteller des Zeugnisses). Als Bewertung meiner Leistungen hat er folgenden, wie ich finde recht kurzen Absatz formuliert:

Herr XXX ist ein gewissenhafter und kompetenter Mitarbeiter mit einem analytischen Denkvermögen und ausgeprägtem Verantwortungsbewusstsein. Sein Handeln ist gekennzeichnet durch ein hohes Maß an Eigenverantwortung. Die ihm übertragenen Aufgaben führte er mit viel Engagement stets zu meiner vollsten Zufriedenheit aus.

Das Verhalten von Herrn XXX gegenüber Vorgesetzten und Mitarbeitern war stets einwandfrei. Ich habe in ihm einen zuverlässigen und vertrauenswürdigen Mitarbeiter kennengelernt.

Für seinen weiteren Berufs- und Lebensweg wünsche ich ihm alles Gute und viel Erfolg.


Meine Fragen dazu:

Gerade die Teile Arbeitsweise (gewissenhaft), Fachwissen (kompetent) und Befähigung (mit einem analytischem Denkvermögen) erscheinen mir nicht besonders positiv, bestenfalls Note 2-3, eher schlechter. Teilen Sie meinen Eindruck?

Verhalten und Leistungszusammenfassung werden aber mit sehr gut bewertet. Das ergibt aus meiner Sicht kein besonders einheitliches Bild und dürfte von jedem Personaler doch zumindest mit Argwohn betrachtet werden?

Die Zukunfts- und Erfolgswünsche sind mir persönlich - auch wenn sie ja nicht zum offiziellen Teil der Bewertung gehören - etwas knapp. Der Wunsch nach "viel Erfolg" lässt den Eindruck entstehen, ich sei bisher nicht sonderlich erfolgreich. Sehen Sie das bei einem Zwischenzeugnis auch so?

Auf Rückfrage hat mien Vorgesetzter angegeben, alles sei selbstverständlich absolut positiv und quasi als sehr gut zu bewerten. Mein Bedenken hinsichtlich des Eindrucks bei einem Personaler mochte er nicht teilen. Sehe ich das alles etwas zu negativ?

Vielen Dank für ihre ehrliche Meinung!

arbeitszeugnis.de

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Etwas knapp und auch nicht allzu gut, oder?
« Antwort #1 am: Mai 09, 2005, 22:03:06 Nachmittag »
Die von Ihnen zitierten Aussagen beziehen sich auf:

Bereitschaft: Note 2
Die ihm übertragenen Aufgaben führte er mit viel Engagement ... aus.

Befähigung: Note: 3
Herr XXX ist ein ... Mitarbeiter mit einem analytischen Denkvermögen

Fachwissen Note 3:
Herr XXX ist ein ... kompetenter Mitarbeiter ...

Arbeitsweise: Note 2-3
Herr XXX ist ein gewissenhafter ... Mitarbeiter... Sein Handeln ist gekennzeichnet durch ein hohes Maß an Eigenverantwortung.

Leistungszusammenfassung: Note 1  
Die ihm übertragenen Aufgaben führte er ... stets zu meiner vollsten Zufriedenheit aus.

Verhalten: Note 1
Das Verhalten von Herrn XXX gegenüber Vorgesetzten und Mitarbeitern war stets einwandfrei. Ich habe in ihm einen zuverlässigen und vertrauenswürdigen Mitarbeiter kennengelernt.

Einen Überblick über die Struktur eines vollständigen Zeugnisses finden
Sie hier: http://www.arbeitszeugnis.de/images/Zeugnisstruktur.pdf.

Die sogenannte Leistungszusammenfassung fasst die Einzelaspekte zu einer Gesamtnote zusammen. Da keine der Einzelnoten der Note sehr gut entspricht, ist diese hier auch nicht glaubwürdig. Zudem wird mit einem einzigen Satz zu allen Leistungsaspekten gleichzeitig Stellung bezogen ("Herr XXX ist ein ... Mitarbeiter mit ... und ... "), was den Anforderungen an eine qualifizierte Leistungsbewertung nicht gerecht wird.  So sollte u.a. zu den Fähigkeiten mehr zu sagen sein als nur "Mitarbeiter mit einem analytischen Denkvermögen". Die Führungsleistung (Projektleitung) wird im Zeugnis scheinbar ebenso wenig bewertet wie der Arbeitserfolg. Zudem fehlt das Wort "weiterhin (viel Erfolg)" vor dem Erfolgswunsch. Das kann als Hinweis darauf gedeutet werden, dass der Erfolg bislang ausgeblieben sei. Formulierungen wie „Wir haben ihn/sie als ... kennengelernt“ (statt "Er/Sie war...) könnten als Distanzierung missverstanden werden. Vergleiche auch folgendes Urteil: "Wenn auch die von der Arbeitgeberin gewählte Formulierung "wir haben Frau X. als eine freundliche und zuverlässige Mitarbeiterin kennengelernt" sich nicht abwertend anhört, wird der Arbeitnehmerin damit jedoch gerade nicht bescheinigt, dass sei eine tatsächlich "freundliche und zuverlässige Mitarbeiterin" gewesen ist, denn der Gebrauch des Wortes "kennengelernt" drückt stets das Nichtvorhandensein der im Kontext aufgeführten Fähigkeit oder Eigenschaft aus, wie von Seiten der Germanisten in einer ganzen Reihe von Schriften mit Untersuchungen zur Zeugnissprache eindrucksvoll belegt worden ist. - LAG Hamm 27.4.2000 - 4 Sa 1018/99"
Klaus Schiller, arbeitszeugnis.de

Spyke

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Etwas knapp und auch nicht allzu gut, oder?
« Antwort #2 am: Mai 10, 2005, 11:30:42 Vormittag »
Vielen Dank Herr Schiller für die sehr ausführliche Antwort. Dass die "Führungsleistung" nicht bewertet wird, sehe ich in diesem Zusammenhang nicht als Mangel, da es sich bei dem Projekt im wesentlichen um eine "One-Man-Show" handelt und mit Mitarbeiter des Auftraggegebers allenfalls sporadisch für Teilaufgaben zugewiesen werden. Aus der Tätigkeitsbeschreibung ergibt sich für den Leser auch der Hinweis, dass Mitarbeiterführung nicht zum Kerngebiet meiner Aufgaben gehört.

Aufgrund ihrer Hinweise ist nun folgende Fassung meiner Bewertung entstanden:

Im Rahmen der vorgenannten vielfältigen Aufgabenstellungen kommen Herrn XXX sein ausgezeichnetes Fachwissen, sein ausgeprägtes analytisches Denkvermögen, seine Tatkraft und seine Fähigkeit zur konstruktiven Zusammenarbeit zugute. Auch unter hoher Belastung ist seine Arbeitsweise von großer Zuverlässigkeit und Sorgfalt geprägt. Mit den von ihm entwickelten Konzepten konnte er entscheidend zum Erfolg des Projektes YYY beitragen. Alle Aufgaben erledigt Herr XXX mit sehr viel Engagement und hoher Eigenverantwortung stets zu meiner vollsten Zufriedenheit.

Von Vorgesetzten, Kollegen und Auftraggebern wird Herr XXX wegen seiner Loyalität sowie seiner Vertrauenswürdigkeit, seiner Zuverlässigkeit und seiner Durchsetzungsfähigkeit sehr geschätzt. Sein Verhalten ist in jeder Beziehung und zu jeder Zeit sehr gut.

Dieses Zwischenzeugnis wird auf Wunsch von Herrn XXX mit Blick auf das planmäßige Ende seiner Beschäftigung am ZZZ ausgestellt. Für die Zukunft wünsche ich ihm alles Gute und weiterhin viel Erfolg.


Für mich erscheint das Zeugnis nun sehr viel einheitlicher und die Bewertung vor allem positiver. Oder sind doch noch Stolperfallen versteckt?


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