Autor Thema: Formulierungen im Arbeitszeugnis  (Gelesen 6493 mal)

Andreas

  • Gast
Formulierungen im Arbeitszeugnis
« am: September 16, 2008, 14:12:10 Nachmittag »
Hallo,
bin mit einigen Formulierungen im Arbeitszeugnis nicht zufrieden.

Arbeite als Projektleiter, Automobilindustrie.Beim Abschluss-Mitarbeitergespräch gab meinem Chef mir dabei zweitbeste Gesamtnote "Gut". Jetzt habe ich das Zeugnis von einem Gutachter überprüfen lassen und er stuft es als "befridigend" ein.

Ich habe mit dem Arbeitgeber telefoniert und auch das Gutachten gezeigt, aber er sieht nicht ein, dass das Zeugnis nur "befriedigend" sein sollte. Er behauptet, dass das Zeugnis als "Gut" einzustufen ist. Das Zeugnis entspricht die Firmenvorgaben.

Ich brauche jetzt Rat über was ich jetzt machen kann. Ich möchte wissen welche Gesetzte und sonstige offizielle Anforderungen es an Zeugnisse gibt.


A) Positive Eigenschaften werden im Zeugnis immer ohne Adverb, wie stets, immer, gut oder sehr, genannt. Z.B. ... ist motiviert, ... ist sorgfältig, was ich als "befriedigend" statt "Gut" verstehe. Gibt es dazu Gesetze oder offizielle Vorgaben?

B) Zum Fachkenntnis wird nur "Lernbereitschaft" geschrieben. Mein Arbeitgeber meint damit, dass ich mich schnell, selbständig und sorgfältig einarbeite. Weiterhin besitze ich dadurch sehr großes Fachkenntnis. "Lerbereitschaft" finde ich auch als Wort etwas zweideutig.

Zum Eigenschaften und Arbeitsstil wird kein Wort geschrieben, außer dass ich engagiert und  sorgfältig bin. Obwohl ich dafür lob bekommen habe, wird Verantwortung oder Problemlösung nicht genannt.

Gibt es Gesetzte oder Regeln über wie ausführlich Eigenschaften beschrieben werden müssen?

D) Zum Abschluss wünscht die Firma mir "alles Gute", jedoch ohne "...und weiterhin viel Erfolg". Das währe gegen die firmeninterne Vorgaben. Gibt es dazu Gesetze oder Regeln?


E) Laut firmeninterne Vorgaben darf das Zeugnis maximal ein A4 sein. Damit bleibt kein Platz um die Leistungsbeurteilung zu ergänzen.
Laut Internet ist etwa 1,5 Seiten angemessen, aber gibt es welche Regeln oder Gesetzt über wie kurz ein Zeugnis sein darf?

Mike

  • Gast
Re: Formulierungen im Arbeitszeugnis
« Antwort #1 am: September 17, 2008, 17:33:26 Nachmittag »
Ich muss meine Antwort in mehrere Beiträge aufteilen, weil die Zeichenzahl pro Beitrag begrenzt ist.

Auf deine Fragen gibt es keine einfachen Antworten. Um das ganze System der Zeugnissprache zu erfassen, mit allen gesetzlichen und sprachlichen Regeln, empfehle ich dir das Buch "Arbeitszeugnisse in Textbausteinen" von Weuster/Scheer. Die ersten 200 Seiten liefern eine sehr gute Einführung.

Ich will trotzdem versuchen, prägnante Antworten zu geben und zitiere erstmal aus: http://www.arbeitszeugnis.de/einfuehrung2.php:
Der Bundesgerichtshof stellte in einem richtungsweisenden Urteil vom 26. November 1963 klar, dass der Arbeitgeber aufgrund seiner „auch über das Ende des Dienstverhältnisses hinausweisenden sozialen Mitverantwortung" verpflichtet sei, das Zeugnis nicht nur der Wahrheit entsprechend, sondern auch mit verständigem Wohlwollen abzufassen. (...) Grundsätzlich wohlwollend und vermeintlich höflich hingegen - und das macht die Zeugnissprache letztlich so schwer durchschaubar - ist die Ausdrucksweise, mit der Arbeitgeber ihre Noten vergeben.

Dieses Urteil ist also der Grund, warum Arbeitgeber in Zeugnissen alles positiv und lobend formulieren, z.B.: "zeigte stets sehr gute Leistungen" = Note 1; "zeigte stets gute Leistungen" = Note 2, "zeigte gute Leistungen" = Note 3, "zeigte brauchbare Leistungen" = Note 4, "zeigte im Großen und Ganzen akzeptable Leistungen" =Note 5 (siehe auch Notenskala unter http://www.arbeitszeugnis.de/notenskala-note1.php).


Mike

  • Gast
Re: Formulierungen im Arbeitszeugnis
« Antwort #2 am: September 17, 2008, 17:37:17 Nachmittag »
TEIL 2

Zur Verwendung dieses abgestuften Lobes ist ein Arbeitgeber nicht verpflichtet, er kann auch z.B. im Klartext schreiben „Sein  Fachwissen ist befriedigend (Note 3)“ oder „Sie besitzt ausreichende Grundkenntnisse (Note 4)“.

Jeder Abschnitt wird natürlich für sich benotet (Bereitschaft, Befähigung, Wissen, Arbeitsweise, Arbeitserfolg). So steht es z.B. auch in einem richtungsweisenden Urteil des LAG Hamm, siehe http://www.verdi-arbeitszeugnisberatung.de/meldung_volltext.php?si=48c4306d720f8&id=4037942cdcb37&akt=urteile&view=&lang=1  Diese Einzelnoten werden dann in der „LeistungsZUSAMMENfassung zu einer Gesamtnote ZUSAMMENgefasst.

Scheinbar ist dein Arbeitgeber der Ansicht, dass eine Aussage wie „Er ist motiviert“ eine "normale" Aussage ist, tatsächlich enthält sie aber auch eine Wertung (nämlich „ist >nicht immer< und auch >nicht sehr< motiviert“).
Fachbücher wie „Arbeitszeugnisse in Textbausteinen“ (Weuster/Scheer) oder „Das Arbeitszeugnis“  (Schleßmann) oder „Das Arbeitszeugnis in Recht und Praxis“ (Huber) enthalten Formulierungsvorschläge, die alle nach dem Prinzip der Positivskala funktionieren („stets, sehr…“).  Frag deinen Arbeitgeber doch mal, woher er seine anders lautende Meinung herhat bzw. ob er diese anhand der Literatur belegen kann. Mit ist kein Buch bekannt, dass die Aussage "er ist motiviert" (ohne stets, sehr usw) besser als Note 3 bewertet.


Mike

  • Gast
Re: Formulierungen im Arbeitszeugnis
« Antwort #3 am: September 17, 2008, 17:52:58 Nachmittag »
Teil 3

zu B) Die Lernbereitschaft ist nur ein Nebenaspekt, Hauptaspekt die die Bewertung der Fachkenntnisse/Sachkompetenz. Die Aussage „Weiterhin besitze ich dadurch sehr großes Fachkenntnis“ steht ja scheinbar nicht im Zeugnis, oder? Wenn der Arbeitgeber dir sehr große Fachkenntnis zuspricht, sollte er es im Zeugnis auch so schreiben. An sich ist der Ausdruck Lernbereitschaft ok, auch wenn er etwas nach AZUBI klingt.

Zu C) Die Formulierungssouveränität liegt beim Arbeitgeber. Er kann das Zeugnis nach seinem Ermessen formulieren, die „Wünsche“ und Erwartungen des Arbeitnehmers sind da irrelevant. Aber es darf bei potentiellen neuen Arbeitgebern nicht der Eindruck entstehen, dass hinter Formulierungen oder Auslassungen eine Kritik steckt. Man sollte natürlich nicht alles auf die Goldwaage legen. Wenn der Ausdruck „verantwortungsbewusst“ nicht auftaucht, heißt das nicht gleich, das man verantwortungslos war. Aber es darf auch nichts Wesentliches fehlen. Es gibt z.B. ein neues Urteil des BAG (siehe Urteilsdatenbank von Arbeitszeugnis.de unter „Leerstellen“), dabei hatte ein Journalist geklagt, weil im Zeugnis kein Hinweis auf Belastbarkeit stand. Er hat Recht bekommen. Dabei ist Belastbarkeit nur ein Nebenaspekt bei der Arbeitsbefähigung.   

zu D) Wer stellt denn extra Regeln auf, dass man Arbeitnehmern keinen Erfolg wünscht? Na ja, ab der Note 2 ist der Erfolgswunsch jedenfalls verzichtbar, aber ich kenne keinen Fachbuchautoren, der in der Note 1 Zukunftswünsche ohne Erfolg nennt.   

zu E) Auch da würde ich auf die Literatur verweisen. Bei Hesse/Schrader heißt es z.B., dass ein Zeugnis bei  einer Beschäftigungszeit von unter zehn Jahren den Umfang von zwei (!) DinA4-Seiten nicht überschreiten sollte. Eine Seite reicht selten aus, allein schon wegen des Briefkopfes und der Aufgabenbeschreibung. Das sind wirklich seltsame Regeln, die so nirgendwo in der Literatur stehen, im Gegenteil.


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