Autor Thema: krankheit im arbeitszeugnis erwähnt. ist das rechtens?  (Gelesen 5495 mal)

camus

  • Gast
krankheit im arbeitszeugnis erwähnt. ist das rechtens?
« am: Oktober 15, 2005, 13:59:50 Nachmittag »
Hallo,
Ich habe gerade mit enormer Verspätung mein Arbeitszeugnis erhalten und bin überhaupt nicht damit einverstanden.
Es handelte sich um einen auf zwei Jahre befristeten Vertrag.
In der ersten Hälfte des Zeugnisses wird das Aufgabengebiet ausführlich beschrieben, damit bin ich auch zufrieden.

Wie ich mit folgenden Absätzen umgehen soll bzw. wie ich das einschätzen kann, weiß ich nicht und bitte um Hilfe:

"Wir lernten Herrn XX als einen eifrigen und sympathischen Mitarbeiter kennen. Er führte alle ihm übertragenen Aufgaben mit großem Elan, Fleiß und Pflichtbewusstsein aus. Er zeigte viel Eigeninitiative. Herr XX erledigte seine Aufgaben sehr selbstständig und mit den Ergebnissen waren wir zufrieden und können ihm schreiberisches Talent attestieren. Das Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen war jederzeit einwandfrei.

Ab Mitte Februar 2005 war Herr XX aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr im Unternehmen.

Wir wünschen Herrn XX für die weitere berufliche Zukunft alles Gute und bedanken uns für seine Mitarbeit. "

Ich finde, gerade der Hinweis auf meine gesundheitlichen Probleme, die ich in der Tat zu dieser Zeit hatte, geht doch überhaupt nicht. Muss ich das hinnehmen? Richtig ist nämlich auch, dass ich für die letzten drei Monate unbezahlten Urlaub genommen habe, um mich im Ausland behandeln zu lassen.  Das Zeugnis entspricht doch höchstens der Note 4, oder?
Vielen Dank für die Hilfe

camus

  • Gast
ergänzung
« Antwort #1 am: Oktober 15, 2005, 17:22:43 Nachmittag »
Ich sollte vielleicht noch erwähnen, dass ich ein zweijähriges Redaktionsvolontariat bei einer Fachpublikation absolviert habe, die letzten drei Monate allerdings war ich - wie erwähnt - unbezahlt beurlaubt.
Davor gab es zwei Feedback-Gespräche mit meinem direkten Vorgesetzten, der auch für die Betreuung der Volontäre zuständig war. Alles in allem bin ich  bis auf einen einzigen, eher nebensächlichen, Punkt nie kritisiert worden, im Gegenteil. Auch wurde nie ein von mir recherchierter und verfasster Artikel abgeändert. Insofern bin ich natürlich auch mit der Formulierung ".....mit den Ergebnissen waren wir zufrieden und attestieren im schreiberisches Talent" überhaupt nicht einverstanden. Was kann ich tun?

Klaus Schiller

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krankheit im arbeitszeugnis erwähnt. ist das rechtens?
« Antwort #2 am: Oktober 15, 2005, 17:52:45 Nachmittag »
Es ist kaum möglich, Zeugnisaussagen ganz ohne Kenntnis der konkreten Aufgaben zu bewerten. Aussagen wie „…mit den Ergebnissen waren wir zufrieden und können ihm schreiberisches Talent attestieren“ sind aber unzweifelhaft unterdurchschnittlich.

In der Frage der Erwähnung von Krankheit möchte ich Sie auf die Fachliteratur verweisen.

Arnulf Weuster ("Arbeitszeugnisse in Textbausteinen", Boorberg Verlag) schreibt:
...Ein Arbeitnehmer ist grundsätzlich nicht verpflichtet, seinem Arbeitgeber die Art der Erkrankung mitzuteilen. Insofern besteht keine Verpflichtung des Arbeitgebers, möglichen künftigen Arbeitgebern des Arbeitnehmers per Zeugnis entsprechende Informationen zu liefern. Es ist grundsätzlich Sache eines potentiellen Arbeitgebers, im Vorstellungsgespräch im Rahmen seines Fragerechts nach Krankheiten zu fragen und eine Einstellungsuntersuchung zu veranlassen.

Die Erwähnung langer Krankheitsfehlzeiten kann wegen der Wahrheitspflicht in Betracht kommen, wenn die Fehlzeiten im Verhältnis zur Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses beträchtlich sind.... (oder) wenn aufgrund der Krankheit der Beruf nicht mehr ausgeübt werden kann.

Da Krankheiten im Zeugnis selten genannt werden, ist klar, dass die Einstellchancen eines so "gebrandmarkten" Arbeitnehmers drastisch sinken. Dies gilt selbstverständlich auch oder vielmehr gerade bei einer nur andeutungsweise erwähnten Krankheit.


Hein Schleßmann ("Das Arbeitszeugnis", Verlag Recht und Wirtschaft) schreibt:
Eine Krankheit darf im Zeugnis grundsätzlich nicht vermerkt werden, es dürfen nicht etwa Fehlzeiten wegen Krankheit zusammengezählt und kenntlich gemacht werden. Die Erwähnung entfällt auch dann, wenn die Krankheit den Kündigungsgrund bildet; denn der Kündigungsgrund wird ohnehin nicht angegeben, und eine Krankheit fällt nicht unter das Begriffspaar "Leistung und Führung". Hinweise auf eine Krankheit würden sie auch "verewigen" und dem Arbeitnehmer sein ganzes Berufsleben anhängen ohne Rücksicht auf mögliche Heilerfolge. Im übrigen bieten das Bundesseuchengesetz und das Arbeitsschutzrecht (z. B. Arbeitsstättenverordnung) in Verbindung mit Offenbarungspflichten bzw. ärztlicher Untersuchung bei der Einstellung die Möglichkeit, dass etwa Krankheiten mit Ansteckungsgefahr festgestellt werden bzw. Vorsorge getroffen werden kann. Krankheitsbedingte Fehlzeiten werden nur dann unter "Dauer des Arbeitsverhältnisses" (ohne Hinweis auf die Krankheit) erwähnt, wenn sie außer Verhältnis zur tatsächlichen Arbeitsleistung stehen, wenn sie also etwa die Hälfte der gesamten Beschäftigungszeit ausmachen.

Bestand das Arbeitsverhältnis z. B. 17 Jahre, und war die Arbeitnehmerin vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses (nur) 1,5 Jahre ununterbrochen arbeitsunfähig krank, so wird dies im Zeugnis nicht erwähnt.

Führt eine Krankheit zu Minderleistungen oder Beanstandungen im Führungsverhalten (z. B. bei Drogen- oder Trunksucht), so wird - ohne Hinweis auf die Krankheit - die entsprechende Beurteilung abgegeben. Wer etwa wegen Trunksucht sehr häufig unentschuldigt der Arbeit fernbleibt, erhält im Zeugnis vermerkt:
"Er gab Anlass zu Beanstandungen ".
Jedoch kann es Ausnahmesituationen geben. Zwar ist das Zeugnis worauf nicht oft genug hingewiesen werden kann - kein Datenträger zur Übermittlung von sonstigen Informationen, die über den gesetzlich vorgeschriebenen Inhalt hinausgehen, aber im Anhalt an den Grundgedanken des übergesetzlichen Notstandes (§ 34 StGB) sind Krankheiten dann zu erwähnen, wenn eine akute Gefährdung Dritter ernsthaft zu befürchten ist. Dies ist bei der Epilepsie möglich, die besonders im technischen Bereich wegen der Unfallgefahr sehr belastend ist und zu empfindlichen Störungen im Betriebsablauf führen kann; es liegt auf der Hand, dass ein Arbeitgeber etwa aus dem Baugewerbe, der seine Arbeitnehmer auf Baustellen und auch auf Gerüsten einsetzt, ein berechtigtes Interesse an Information hat, ob einem solchen Einsatz ein Anfallsleiden entgegensteht. Nicht zu übersehen ist allerdings, dass eine Erwähnung dieser Krankheit im Zeugnis ein weiteres Fortkommen außerordentlich erschwert. In diesem Dilemma geht es, so hart es auch klingen mag, doch mehr um die Belange anderer Arbeitgeber und ihrer Belegschaften als um den Betroffenen in seinem schicksalhaften Zustand. Es lässt sich daher rechtfertigen, in einem qualifizierten Zeugnis eine solche Krankheit, so schonend wie nur möglich, zu erwähnen.
Klaus Schiller, arbeitszeugnis.de
Personalmanagement Service GmbH
schiller@arbeitszeugnis.de

- Alle Angaben ohne Gewähr -

gast

  • Gast
krankheit im arbeitszeugnis erwähnt. ist das rechtens?
« Antwort #3 am: Oktober 15, 2005, 18:11:56 Nachmittag »
Vielen Dank für die rasche Antwort.
Ich verstehe, dass sie ohne Kenntnis der konkreten Aufgaben mein AZ nicht richtig bewerten können. Hier also der Auszug zu meinen Aufgabengebieten:

"im rahmen seiner ausbildung durchlief herr XXX alle bereiche der redaktion. er lernte die abläufe von der recherche bis zum umbruch kennen und nahm an redaktionskonferenzen teil.

im business-ressort recherchierte er aktuelle nachrichten und verfasste eine ganze reihe größerer beiträge. zu den besonders hervorzuhebenden arbeiten gehören eine serie zum thema fremdnachfolge und ein größerer artikel über indifferenzkurven im handel. bei einem von uns organisierten kongress übernahm er die moderation einer podiumsdiskussion.

im nachrichtenressort lernte Herr XX die grundlagen des online-journalismus, angefangen bei der internet gerechten aufbereitung von inhalten bis hin zur technischen abwicklung. er arbeitete aktiv an unserem täglichen online-newsletter mit. nachrichten recherchierte er telefonisch und übers internet.

Wir lernten Herrn XX als einen eifrigen und sympathischen Mitarbeiter kennen. Er führte alle ihm übertragenen Aufgaben mit großem Elan, Fleiß und Pflichtbewusstsein aus. Er zeigte viel Eigeninitiative. Herr XX erledigte seine Aufgaben sehr selbstständig und mit den Ergebnissen waren wir zufrieden und können ihm schreiberisches Talent attestieren. Das Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen war jederzeit einwandfrei.

Ab Mitte Februar 2005 war Herr XX aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr im Unternehmen.

Wir wünschen Herrn XX für die weitere berufliche Zukunft alles Gute und bedanken uns für seine Mitarbeit. "

vielleicht ist ihnen jetzt ein kurze bewertung möglich. vielen dank im vorraus.

Klaus Schiller

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  • Beiträge: 1639
krankheit im arbeitszeugnis erwähnt. ist das rechtens?
« Antwort #4 am: Oktober 18, 2005, 15:39:32 Nachmittag »
Die Aussagen beziehen sich auf:

Bereitschaft:/Engagement: Note 2-3
Wir lernten Herrn XX als einen eifrigen ... Mitarbeiter kennen. Er führte alle ihm übertragenen Aufgaben mit großem Elan, Fleiß und Pflichtbewusstsein aus. Er zeigte viel Eigeninitiative.

Arbeitsweise: Note -
Herr XX erledigte seine Aufgaben sehr selbstständig

Arbeitserfolg: Note 4.
..und mit den Ergebnissen waren wir zufrieden

Befähigung: Note 4
und können ihm schreiberisches Talent attestieren.

Die Leistungsbewertung fällt sehr knapp aus und ist z.T. unterdurchschnittlich. Zudem fehlt die unverzichtbare Leistungszusammenfassung mit dem Grad der Zufriedenheit - denn die Aussage "mit den Ergebnissen waren wir zufrieden" bezieht sich nur auf die Arbeitsergebnisse, nicht auf die Leistung insgesamt. In der Aussage "Das Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen war jederzeit einwandfrei" fehlen die Externen, zu denen der Beurteilte laut Stellenbeschreibung ebenfalls Kontakt hatte. Auch der Schlussteil (Dank, Zukunftswünsche) ist unterdurchschnittlich.  

Einen Überblick über die Struktur eines vollständigen Zeugnisses finden Sie hier: http://www.arbeitszeugnis.de/images/Zeugnisstruktur.pdf.

Bitte beachten Sie: Dies ist keine vollständige Zeugnisanalyse, sondern nur ein Kommentar zu beispielhaften Auffälligkeiten. Eine vollständige detaillierte Zeugnisanalyse erhalten Sie hier:  http://www.arbeitszeugnis.de/zeugnistest.php.
Wenn Sie das Zeugnis von Experten aufwerten lassen möchten, um beim Arbeitgeber direkt diese unterschriftsreife, verbesserte Zeugnisfassung als Formulierungsvorschlag einzureichen, finden Sie hier schnelle und günstige Hilfe: http://www.arbeitszeugnis.de/ueberarbeitung2.php
   
Weitere Informationen finden Sie auch im Artikel "Wie können Sie sich gegen ein ungerechtes Arbeitszeugnis wehren?" unter http://www.arbeitszeugnis.de/rechtsberatung.php


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