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Arbeitszeugnisse => Arbeitszeugnisse => Thema gestartet von: Trader1 am Dezember 18, 2005, 15:35:18 Nachmittag

Titel: Absagen wegen fehlendem Arbeitszeugnis!
Beitrag von: Trader1 am Dezember 18, 2005, 15:35:18 Nachmittag
Hallo,

mein letztes Anstellungsverhältnis habe ich zum 15.11.05 selbst kündigen müssen. Bis jetzt habe ich trotz mehrmaliger Aufforderung kein Arbeitszeugnis erhalten. Die Aufforderungen waren bisher immer telefonisch...
Da aktuelle Bewerbungsvorgänge laufen habe ich von diesen Firmen teilweise Rückfragen diesbezüglich bekommen, was sehr ärgerlich ist. Im Falle von Absagen möchte ich dann mit der zuständigen Person der jeweiligen Firma sprechen, ob das fehlende Zeugnis der Grund war und sie mir dies vielleicht kurz schriftlich bestätigen können. Anschließend würde ich eine Schadensersatzklage gegen den letzten Arbeitgeber in Erwägung ziehen.

Wer hat in einer solchen Sache schon Erfahrungen gemacht oder könnte mir Tipps geben?

Vielen Dank
Titel: Absagen wegen fehlendem Arbeitszeugnis!
Beitrag von: Klaus Schiller am Dezember 19, 2005, 20:18:56 Nachmittag
Ich zitierte aus unseren häufigen Fragen:
Alle abhängig Beschäftigten haben einen unabdingbaren Anspruch auf Zeugniserteilung. Rechtsgrundlage bildet seit 01. Januar 2003 § 109 Gewerbeordnung (GewO) für sämtliche Arbeitnehmer. Für Auszubildende gilt § 8 Berufsbildungsgesetz.
Der Anspruch auf Erteilung entsteht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitnehmer kann das Zeugnis vom Zeitpunkt der Kündigung an verlangen. Wegen Verletzung der Zeugnispflicht können dem Arbeitnehmer Schadensersatzansprüche gegenüber dem Arbeitgeber zustehen (z.B. bei erfolgloser Stellensuche wegen fehlendem Zeugnis). Deshalb sollte der Anspruch schnellstmöglich erfüllt werden. Eine Regelfrist gibt es nicht. In Normalfällen sollten zwei Wochen ausreichend sein. Eine längere Erstellzeit wird man dem Arbeitgeber zubilligen müssen, wenn sich das Zeugnisaufkommen aufgrund von Massenentlassungen bzw. Rationalisierungen erhöht. Ein Zurückbehaltungsrecht des Arbeitgebers besteht nicht; d.h. der Arbeitgeber darf das Zeugnis nicht mit der Begründung verweigern, er habe z.B. noch nicht alle Betriebsmittel (Handy, Werkzeug ...) zurück erhalten. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf ein Zeugnis erlischt wie jeder andere schuldrechtliche Anspruch mit seiner ordnungsgemäßen Erfüllung (§ 362 I BGB).

Nicht wenige Arbeitgeber sind von der Zeugniserstellung überfordert, sei es in organisatorischer oder auch in sprachlicher Hinsicht. Daher ist es sinnvoll, einen unterschriftsreifen Eigenentwurf einzureichen, den Sie hier erhalten: http://www.arbeitszeugnis.de/ueberarbeitung2.php.

Ein Musteranschreiben für eine Zeugnisanforderung finden Sie hier: unter http://www.arbeitszeugnis.de/rechtsberatung.php.

Darüber, ob eine Klage auch dann Aussicht auf Erfolg haben könnte, wenn Sie die (nicht schriftlich erfolgten) Zeugnisanforderungen nicht nachweisen können, wird Sie Rechtsanwalt Lauchstedt von anwalt.de bei Bedarf gerne informieren: http://www.anwalt.de/rechtsberatung/rechtsanwalt.php?seid=52&pid=10100.
Titel: Re
Beitrag von: Trader1 am Dezember 22, 2005, 12:31:10 Nachmittag
Vielen Dank erstmal Herr Schiller,

ich habe nun mein Zeugniss erhalten. Ich nenne hier mal die wichtigsten Inhalte...

" Während seiner Tätigkeit war Herr XXX im Sekretariat und als Orderclerk beschäftigt. Sein Aufgabengebiet umfasste insbesondere neben der Kundenakquisition die Bertreuung der Kunden. Hierzu gehörte es, die Kunden über Ausführungen Ihrer Orders zu informieren und die Kapitalmärkte für die Kunden zu beobachten"

Die Inhalte meiner Tätigkeit sind hier nicht korrekt wiedergegeben. Der wichtigste Teil fehlt, nämlich das ich Aufträge selbst in die verschiedenen Systeme eingegeben und daher ausgeführt habe...

"Herr XXX hat die ihm übertragenden Aufgaben stets breitwillig ausgeführt ( Rechtschreibfehler). Er arbeitete sich schnell in relevante Themenbereiche ein und zeigte Einsatz bei der Entwicklung von Handelsstrategien."

"Darüber hinaus zeichnen ihn Ordentlichkeit und Zuverlässigkeit aus. Sein Verhalten gegenüber Kunden und Vorgesetzten war stets einwandfrei."

" Herr XXX verlässt unser Unternehmen auf eigenen Wunsch, wir danken ihm für die gute Zusammenarbeit und wünschen ihm alles Gute für sein berufliches Weiterkommen."

Welchen Eindruck machen diese Aussagen? Ich bin eher skeptisch, schließlich muß ich mich damit neu bewerben.

Vielen Dank
Titel: Absagen wegen fehlendem Arbeitszeugnis!
Beitrag von: Klaus Schiller am Dezember 22, 2005, 21:44:23 Nachmittag
Die wertenden Aussagen weisen eine ganze Reihe von Auffälligkeiten auf. Vor allem fehlen wichtige Aspekte, insbesondere die unverzichtbare Leistungszusammenfassung mit dem Grad der Zufriedenheit, ohne die keine Gesamtnote zugeordnet werden kann. Auch zu Fähigkeiten, zum Wissen und zum Erfolg sagt der zitierte Zeugnistext nichts aus. Natürlich dürfen im Verhaltensteil die Kollegen nicht fehlen ("... gegenüber Kunden und Vorgesetzten").  
 
Die Inhalte meiner Tätigkeit sind hier nicht korrekt wiedergegeben. Der wichtigste Teil fehlt, nämlich das ich Aufträge selbst in die verschiedenen Systeme eingegeben und daher ausgeführt habe...
Ich zitiere aus unserer Urteilsdatenbank:
Bei der Tätigkeitsbeschreibung in einem Zeugnis hat der Arbeitgeber einen weit geringeren Beurteilungsspielraum als bei der Leistungsbewertung. Ein Zeugnis muß die Tätigkeiten, die ein Arbeitnehmer im Laufe des Arbeitsverhältnisses ausgeübt hat, so vollständig (z.B. auch Beratertätigkeit gegenüber ausländischen Konzernstellen sowie Aufgaben als Stellvertreter des Abteilungsleiters) und genau beschreiben, daß sich künftige Arbeitgeber ein klares Bild machen können. Unerwähnt dürfen solche Tätigkeiten bleiben, denen bei einer Bewerbung des Arbeitnehmers keine Bedeutung zukommt. - BAG 12.8.1976 - 3 AZR 720/75

Einen Überblick über die Struktur eines vollständigen Zeugnisses finden Sie hier: http://www.arbeitszeugnis.de/images/Zeugnisstruktur.pdf.

Bitte beachten Sie: Dies ist keine vollständige Zeugnisanalyse, sondern nur ein Kommentar zu beispielhaften Auffälligkeiten. Eine vollständige detaillierte Zeugnisanalyse erhalten Sie hier:  http://www.arbeitszeugnis.de/zeugnistest.php.
Wenn Sie das Zeugnis von Experten aufwerten lassen möchten, um beim Arbeitgeber direkt diese unterschriftsreife, verbesserte Zeugnisfassung als Formulierungsvorschlag einzureichen, finden Sie hier schnelle und günstige Hilfe: http://www.arbeitszeugnis.de/ueberarbeitung2.php
   
Weitere Informationen finden Sie auch im Artikel "Wie können Sie sich gegen ein ungerechtes Arbeitszeugnis wehren?" unter http://www.arbeitszeugnis.de/rechtsberatung.php
Titel: Absagen wegen fehlendem Arbeitszeugnis!
Beitrag von: Trader1 am Dezember 23, 2005, 15:47:36 Nachmittag
Vielen Dank Herr Schiller,

vielleicht sollte ich noch anfügen das die Beschäftigung lediglich sechs Monate dauerte...daher spielen die Wertungen vielleicht eine untergeordnete Rolle.
Titel: Absagen wegen fehlendem Arbeitszeugnis!
Beitrag von: Klaus Schiller am Dezember 23, 2005, 20:15:22 Nachmittag
Auch bei kurzer Beschäftigungszeit darf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis nichts Wesentliches auslassen.