Arbeitszeugnis Forum

Arbeitszeugnisse => Arbeitszeugnisse => Thema gestartet von: korny am August 11, 2008, 17:53:23 Nachmittag

Titel: Unterschied zwischen schweizer und deutschen Zeugniscode
Beitrag von: korny am August 11, 2008, 17:53:23 Nachmittag
Hallo,

ich habe hier eine Analyse meines Zwischenzeugnisses von einem Arbeitgeber aus der Schweiz anfertigen lassen. Diese fiel insgesamt so zwischen gut-befriedigend aus. Heute habe ich die Analyse meinem Vorgesetzten gezeigt, dieser war überrascht und im Gegenzug zeigte er was er an Noten vorgegeben hat für den Personalchef. Diese Vorgabe enthielt praktisch nur sehr gut und 2 mal gut und die gesamt Note sehr gut. Jetzt frage ich mich ob es in der Schweiz einen anderen Code gibt um die Zeugnisse zu deuten (oder mag mich vielleicht der Personalchef nicht)?

Besten Dank für hilfreiche Antworten!

Gruß

korny
Titel: Re: Unterschied zwischen schweizer und deutschen Zeugniscode
Beitrag von: Sprossel78 am August 12, 2008, 17:14:27 Nachmittag
Das Schweizer Zeugnisrecht unterscheidet sich nur sehr unwesentlich vom deutschen, auch der Sprachcode ist im Prinzip der gleiche.  Unterschiede bestehen vielmehr zwischen den Maßstäben der verschiedenen Autoren. Wenn du mal ein, zwei Beispielsätze nennst, lässt sich das besser kommentieren.

Unter http://www.arbeitszeugnis.de/zeugnismaengel.php findest du folgenden Artikel:
Missverständliche Textbausteine: uneinheitliche Bedeutung
Zeugnisfachbücher oder Zeugniserstellungs-Software bieten einen ganzen Katalog hilfreicher Textbausteine. Auf der sicheren Seite ist man damit trotzdem nicht, denn die Autoren wenden sehr unterschiedliche Maßstäbe an. Zum Beispiel empfiehlt der Autor Günter Huber in seinem weit verbreiteten Fachbuch „Das Arbeitszeugnis in Recht und Praxis“ (Haufe Verlag) für die Note 3 bei der Arbeitsbefähigung diesen Baustein anzuwenden: „Seine folgerichtige Denkweise kennzeichnet seine sichere Urteilsfähigkeit in vertrauten Zusammenhängen. Er findet brauchbare Lösungen“. Personal-Entscheider, die das Buch von Huber nicht kennen, würden diese Formulierung weit schlechter als Note 3 einschätzen. Zum Vergleich: Die Note 5 klingt bei Huber so: „Im vertrauten Zusammenhang kann er sich im Wesentlichen auf seine Urteilsfähigkeit stützen.“ Wer Fehlinterpretationen des eigenen Zeugnisses ausschließen will, sollte also nicht nur die Einschätzung des ursprünglichen Autors kennen, sondern auch berücksichtigen, wie ein Zeugnisleser die Aussagen instinktiv deutet.
Titel: Re: Unterschied zwischen schweizer und deutschen Zeugniscode
Beitrag von: korny am August 13, 2008, 12:18:20 Nachmittag
Beispiele wären:

- Er ist ein belastbarer und ausdauernder Mitarbeiter, der auch in hektischen und problematischen Situationen kühlen Kopf bewahrt. (laut Zeignistest Note:3)

- Trotz hoher Belastung und anspruchsvollen Aufgabenstellungen überzeugen seine Lösungen in technischer als auch in qualitativer Hinsicht (laut Zeignistest Note:3)

- Sein Verhalten gegenüber Kunden ist vorbildlich (laut Zeugnistest Note:2)

- Herr xxx besitzt ein umfassendes Wissen im Bereich der Mechanik ... (laut Zeugnistest Note2-3)... und wendet die vorhanden Methoden und Instrumente jederzeit wirksam in seiner Berufspraxis an. (laut Zeignistest Note:2)

Die Noten sollten laut meinem Vorgesetzten jeweils eine Stufe besser sein, nach seinen Vorgaben.
Titel: Re: Unterschied zwischen schweizer und deutschen Zeugniscode
Beitrag von: Kalli66 am August 14, 2008, 16:28:12 Nachmittag
Im Standardwerk "Arbeitszeugnisse in Textbausteinen" (Prof Arnulf Weuster) und ebenso in den Hesse/Schrader-Zeugnisbüchern lautet die Abstufung:
Note 1: Er war ein ausdauernder und sehr belastbarer Mitarbeiter, der auch unter schwierigen Arbeitsbedingungen alle Aufgaben stets sehr gut bewältigte.
Note 2: Er war ein ausdauernder und belastbarer Mitarbeiter, der auch unter schwierigen Arbeitsbedingungen alle Aufgaben stets gut bewältigt.
Note 3: Er war ein belastbarer Mitarbeiter, der auch unter schwierigen Arbeitsbedingungen Aufgaben gutbewältigte.

Bei dir wurde diese Standard-Aussagen ungewöhnlich umformuliert. Umgangssprachliche Metaphern wie "kühlen Kopf bewahren" haben in Zeugnisurkunden nichts zu suchen. Auch fehlt so die für die Zeugnisnote besonders wichtige Abstufung, die durch Temporaladverben (stets, jederzeit, immer) und Adjektive wie "ausgezeichnet", "hervorragend", "sehr gut/gut", "sehr groß/groß", "sehr hoch/hoch usw. reguliert wird: stets sehr gut = Note1, stets gut = Note 2 usw. So ist eben der Mechanismus der Zeugnissprache, damit man auch bei unterdurchschnittlichen Leistungen noch freundliche Worte finden kann ("Er fand brauchbare Lösungen"=Note 4). 
 
Ähnliches gilt für die Aussage "seine Lösungen überzeugen in technischer als auch in qualitativer Hinsicht". Dass die Lösungen lediglich "überzeugen" klingt eher schwach, denn auch hier fehlt die erkennbare Einstufung:
Zum Vergleich:
Weuster: Er erledigte seine Aufgaben quantitativ und qualitativ stets sehr gut".
Hesse/Schrader: Er zeigte hervorragende Leistungen, sowohl qualitativ als auch quantitativ.

Im Satz "Sein Verhalten gegenüber Kunden ist vorbildlich" fehlt das Temporaladverb (stets, jederzeit, immer), das ist eine klare Abstufung der Note 1.