Autor Thema: Unterirdisches Zeugnis - was tun?  (Gelesen 3962 mal)

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Unterirdisches Zeugnis - was tun?
« am: Oktober 11, 2005, 10:42:05 Vormittag »
Hallo,

ich habe ein sehr schlechtes Zeugnis erhalten und möchte gerne wissen wie ich mich nun am besten verhalten soll. Der Hintergrund:

Nach der Einstellung erfolgte eine anstrengende 3monatige interne Schulung, bei der ein Prüfungsnoten-Durchschnitt von 85% erwartet wird. 3 von 4 Mitarbeitern, darunter ich, haben die 85% nicht geschafft und erfüllten damit die Einstellungsvorraussetzungen nicht - übrigens kein "Ausreißer" zufällig unterdurchschnittlicher Mitarbeiter, sondern die übliche Durchfallquote in dieser Schulung.

Es kommt zur Kündigung wegen Nichterfüllens der Vorraussetzungen für die geplante Tätigkeit. Die 3 Mitarbeiter bewerben sich intern auf andere Stellen, in der Tat erfolgen Versetzungen in andere Abteilungen (Buchhaltung).

Überraschend wird nach 2 Wochen verkündet daß es "aus Prinzip" doch bei den ausgesprochenen Kündigungen bleibe, es bestehe allerdings die Möglichkeit in der ursprünglich vorgesehenen Abteilung bis zum Ende der Probezeit tätig zu sein - offensichtlich schätzt man die Fähigkeiten der Mitarbeiter, die nur knapp an der 85%-Hürde gescheitert sind, nicht soooo schlecht ein und das herannahende Weihnachtsgeschäft erfordert hohen Personalbedarf.

Die Mitarbeiter scheiden dann allerdings zum Ende der Probezeit aus dem Unternehmen aus, es wird versprochen aufgrund der guten Führung und weil die Kündigungen nur auf dem Ergebnis der Schulung beruhen, ein positives Zeugnis zu schreiben.

Was ich dann bekommen habe, war das hier:

"Herr X, geboren xx.xx.xxxx, war vom 01. Juli 2004 bis zum 31. Dezember 2004 als kaufmännischer Angestellter in unserem Unternehmen, Niederlassung yyy, beschäftigt.

Sein Einsatz erfolgte nach einer firmeninternen Schulung in unserer zzz-Abteilung mit nachfolgender Aufgabenstellung:

- blablablabla
- blablablabla
- blablablabla
- Administrative Tätigkeiten

[Aufgelistet werden an dieser Stelle nur die Aufgaben der ursprünglich vorgesehenen Abteilung, nicht aber die 2 Wochen in der Buchhaltung - oder wird das mit "Administrative Tätigkeiten" ausreichend abgegolten?]

Herr X erledigte die ihm übertragenen Aufgaben korrekt und in angemessener Zeit. Der guten Ordnung halber sei erwähnt, dass er eine pünktlicher und zuverlässiger Mitarbeiter war. Aufgrund der kurzen Beschäftigungsdauer kann eine detaillierte Beurteilung leider nicht erstellt werden.

Für seinen weiteren beruflichen und privaten Lebensweg wünschen wir ihm viel Erfolg und alles Gute."

Das Zeugnis ist datiert auf den 31. Januar 2005 und ich habe es bisher nie hinterfragt weil ich bei einer langjährigen früheren Beschäftigung nie eine Beurteilung bekommen habe und nicht einzuschätzen wußte daß dieses Zeugnis extrem mies ausfällt.

Meine Fragen dazu sind nun:

- offensichtlich ist das Zeugnis sehr unvollständig, man sollte einen Mitarbeiter, der immerhin 6 Monate in dem Unternehmen tätig war, sicherlich diffenerenzierter beurteilen können. Also liegt wohl auf der Hand daß z. B. Aussagen zur Führung etc. eingefügt werden?

- recht "administrative Tätigkeiten" um 2 Wochen (die allerdings mit Einarbeitung verbracht wurden) in der Buchhaltung ausreichend zu beschreiben?

- in welcher Weise sollte ich generell reagieren, gerade auch weil das Zeugnis bereits 9 Monate alt ist und offenbar ein gewisses zeitliches Problem bei der Reklamation dieser Beurteilung droht?
Setzt man eine Frist zur Ausstellung eines positiveren und ausführlicheren Zeugnis und wenn ja - wieviel Zeit gibt man dazu?

- weitere Tips, Ratschläge, die ich jetzt beachten sollte?

Ganz herzlichen Dank für's Lesen des langen Textes und mögliche Hilfe!

Klaus Schiller

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Unterirdisches Zeugnis - was tun?
« Antwort #1 am: Oktober 13, 2005, 01:25:17 Vormittag »
Offensichtlich ist das Zeugnis sehr unvollständig, man sollte einen Mitarbeiter, der immerhin 6 Monate in dem Unternehmen tätig war, sicherlich diffenerenzierter beurteilen können. Also liegt wohl auf der Hand daß z. B. Aussagen zur Führung etc. eingefügt werden?
Es fehlen in der Tat nahezu alle relevanten Wertungen. Einen Überblick über die Struktur eines vollständigen Zeugnisses finden Sie hier: http://www.arbeitszeugnis.de/images/Zeugnisstruktur.pdf.
Die Arbeitsgerichte sagen hierzu:
Zitat: Ein Arbeitnehmer kann ein qualifiziertes Zeugnis, d.h. auf Führung und Leistung ausgedehntes Zeugnis dann fordern, wenn ein dauerndes Arbeitsverhältnis beendet wurde. Maßgeblich dafür ist allein, ob das Arbeitsverhältnis auf Dauer angelegt ist und nicht, wie lange es tatsächlich gedauert hat. Auch nach einer tatsächlich nur zweitägigen Beschäftigung kann der Arbeitgeber Führung und Leistung beurteilen (...) – Urteil des LAG Düsseldorf, Kammer Köln, 14.5.1963 - 8 Sa 177/63

recht "administrative Tätigkeiten" um 2 Wochen (die allerdings mit Einarbeitung verbracht wurden) in der Buchhaltung ausreichend zu beschreiben?
Ohne Kenntnis der gesamten Aufgabenbeschreibung ist hierzu eine Einschätzung kaum möglich. Generell gilt: Bei der Tätigkeitsbeschreibung in einem Zeugnis hat der Arbeitgeber einen weit geringeren Beurteilungsspielraum als bei der Leistungsbewertung. Ein Zeugnis muß die Tätigkeiten, die ein Arbeitnehmer im Laufe des Arbeitsverhältnisses ausgeübt hat, so vollständig und genau beschreiben, daß sich künftige Arbeitgeber ein klares Bild machen können. Unerwähnt dürfen solche Tätigkeiten bleiben, denen bei einer Bewerbung des Arbeitnehmers keine Bedeutung zukommt. – Urteil des BAG 12.8.1976 - 3 AZR 720/75

- in welcher Weise sollte ich generell reagieren, gerade auch weil das Zeugnis bereits 9 Monate alt ist und offenbar ein gewisses zeitliches Problem bei der Reklamation dieser Beurteilung droht?
Setzt man eine Frist zur Ausstellung eines positiveren und ausführlicheren Zeugnis und wenn ja - wieviel Zeit gibt man dazu?

Bei Entscheidungen der Arbeitsgerichte zur Zeugniskorrektur wurde der Berichtungsanspruch wiederholt knapp 10 Monate nach Zeugnisausstellung ablehnt, weil der Arbeitnehmer zu lange gewartet hatte, bevor er seine Korrekturwünsche geäußert hat. Wenn Sie das Zeugnis von Experten aufwerten lassen möchten, um beim Arbeitgeber direkt diese unterschriftsreife, verbesserte Zeugnisfassung als Formulierungsvorschlag einzureichen, finden Sie hier schnelle und günstige Hilfe: http://www.arbeitszeugnis.de/ueberarbeitung2.php  Weitere Informationen, auch Musterschreiben für eine Zeugniskorrektur, finden Sie auch im Artikel "Wie können Sie sich gegen ein ungerechtes Arbeitszeugnis wehren?" unter http://www.arbeitszeugnis.de/rechtsberatung.php
 
- weitere Tips, Ratschläge, die ich jetzt beachten sollte?
In der an Lob nicht gerade armen Zeugnissprache sind Aussagen wie „korrekt und in angemessener Zeit“ oder „pünktlicher Mitarbeiter“ keine Auszeichnung. Es handelt sich aus diesem Grund und all den Unvollständigkeiten derzeit also um ein Zeugnis der Note 4-5.
Klaus Schiller, arbeitszeugnis.de
Personalmanagement Service GmbH
schiller@arbeitszeugnis.de

- Alle Angaben ohne Gewähr -

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Vielen Dank!
« Antwort #2 am: Oktober 13, 2005, 17:50:22 Nachmittag »
Hallo Klaus Schiller,

herzlichen Dank für Ihre wertvollen Ratschläge! Ich habe inzwischen ein Schreiben aufgesetzt um mich gegen dieses Zeugnis zur Wehr zu setzen und arbeite gerade auch an einem eigenen Formulierungsvorschlag.

Ich hörte inzwischen daß Gerichte inzwischen gewöhnlich von einer "Nullinie" mit einer 3 ausgehen. Stellt der Arbeitgeber ein schlechteres Zeugnis aus ist er in der Beweispflicht für die schlechte Benotung, genauso wie ein Arbeitnehmer, der besser bebotet werden möchte, in diesem Fall Beweise vorlegen muß.

Können Sie dies bestätigen? Dann könnte ich nämlich mindestens ein befriedigendes Zeugnis anfordern und in meinem Formulierungsvorschlag dementsprechend ausarbeiten. Das würde meinem Empfinden gegenüber meinen Leistungen sicherlich mehr entsprechen als dieses "Armutszeugnis".

Herzlichen Dank für Ihre Beratung!

Klaus Schiller

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Unterirdisches Zeugnis - was tun?
« Antwort #3 am: Oktober 13, 2005, 20:45:13 Nachmittag »
Die Landesarbeitsgerichte sehen die Beweislast beim Arbeitnehmer, wenn dieser eine überdurchschnittliche Note fordert und beim Arbeitgeber, wenn die Zeugnisnote unterdurchschnittlich ist. Weitere Informationen finden Sie hier: http://www.arbeitszeugnis.de/rechtsberatung.php. Das Bundesarbeitsgericht sieht die Beweislast zwar immer beim Arbeitgeber, hat jedoch der Regelung der Landesarbeitsgerichte nicht widersprochen.


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