Autor Thema: Wie ist dieses Zeugnis zu bewerten??  (Gelesen 2545 mal)

spieker

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Wie ist dieses Zeugnis zu bewerten??
« am: August 27, 2005, 14:57:47 Nachmittag »
Sehr geehrter Herr Schiller, ich hoffe Sie können auch mir helfen, mein Arbeitszeugnis besser einzuschätzen.

Nach einem verlorenen Prozess vor dem Arbeitsgericht wurde mein Arbeitgeber verpflichtet, ein wohlwollendes Arbeitszeugnis zu erstellen.

Leider habe ich starke Zweifel an der Ausführung und Ausdrucksweise meines ehemaligen Arbeitgebers.


(1:1 Wortlaut inkl. Rechtschreibfehler)

Zeugnis

Frau xxxxxx, geb. am xxxxxx, war in der Zeit vom xxxxxx bis xxxxxx bei uns als Verkäuferin tätig.

Sie war hauptsächlich im Verkauf und im Einkauf tätig. Die Frau xxxxxx übertragenen Aufgaben waren:
Kundenbetreuung und Bedienung, die Pflege des Warensortiments, Einkauf, Kalkulation, Preisänderungen, Warenannahme und Präsentation im Laden und Schaufenster.
Zusätzlich war Sie für die Personalplanung verantwortlich.

Alle anfallenden Arbeiten in meinem Betrieb wurde von Frau xxxxxx zu meiner vollsten Zufriedenheit erledigt.

Sie war stets pünktlich und zuverlässig.

Das Verhalten gegenüber Kunden, Kollegen und Vorgesetzten war stets freundlich und einwandfrei.

Wir wünschen Frau xxxxxx für ihren weiteren Lebens- und Berufsweg alles Gute.


(Zeugnisende)



Anmerkung:

Die Berufsbezeichnung Verkäuferin ist mir neu, bis dato war ich kaufm. Angestellte oder sind diese Bezeichnungen wertgleich?

Die mir übertragenden Aufgaben waren absteigend nach ihrem Umfang: Einkauf, Kalkulation, Preisänderungen, Kundenbetreuung und Bedienung, Pflege des Warensortiments, Warenannahme und Präsentation sowie Personalplanung. Im Zeugnis ist diese Reihenfolge jedoch nicht gegeben.

Klaus Schiller

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Wie ist dieses Zeugnis zu bewerten??
« Antwort #1 am: August 29, 2005, 01:17:03 Vormittag »
Die Leistungszusammenfassung ("vollste Zufriedenheit") verweist auf die Gesamtnote 2, nicht auf die Gesamnote 1, da das wichtige Adverb "stets" fehlt.  Doch diese Aussage fasst, wie der Name schon sagt, die Einzelwertungen zu einer Gesamtnote zusammen. Diese Einzelwertungen (Bereitschaft, Fähigkeiten, Wissen, Arbeitsweise...) fehlen aber komplett, so das die gute Gesamtnote nicht glaubwürdig ist.

Weitere Auffälligkeiten sind:

Die Stellenbeschreibung sollte hierarchisch geordnet sein, also mit den wichtigsten Aufgaben beginnen. Werden weniger wichtige Aufgaben in der Stellenbeschreibung vorgezogen, kann dies als Abwertung interpretiert werden („Reihenfolge-Technik“). Die Stellenbezeichung sollte aus dem Arbeitsvertrag übernommen werden.

Weitere Verschlüsselungstechniken als Hinweis auf mangelhafte Leistungen sind die sogenannte "Passivierungstechnik" ("Arbeiten wurden erledigt" = mangelnde Eigeninitiative) und die Leerstellentechnik. Aufgrund der gesetzlichen "Wohlwollenspflicht" in Arbeitszeugnissen können die schon erwähhnten Unvollständigkeiten ("Leerstellen") als bewusste Auslassung zu Ungunsten eines Zeugnisempfängers interpretiert werden ("beredtes Schweigen", Note mangelhaft).

Rechtschreibfehler und stilistische Mängel wie z.B. groß geschriebene Personalpronomen ("Zusätzlich war Sie für ") schmälern immer die Seriosität eines Zeugnisses. Zudem fallen sie auf einen Beurteilten zurück, der die Fehler nicht bemerkte und reklamierte.

Vielfach diskutiert wurde die eigentlich veraltete Aussage "stets ehrlich, fleißg, pünktlich und zuverlässig". Zum einen fällt auf, dass in Ihrem Fall vor allem die Ehrlichkeit fehlt, was den Schluss zulässt, dass Ihnen hiermit Unehrlichkeit bescheinigt werden soll. Bei der Erwähnung bzw. besonderen Betonung von Pünktlichkeit kann der Eindruck entstehen, dass außer dieser Selbstverständlichkeit keine weiteren positiven Aussagen getroffen werden können (z.B. „teamorientiert, loyal“). Pünktlichkeit kann als mangelnde Flexibilität gedeutet werden („geht pünktlich zum Feierabend").

In der Formulierung zum Verhalten gegenüber Internen werden die Kollegen entgegen der Hierarchie vor den Vorgesetzten genannt. Dies gilt als Kritik am Verhalten gegenüber den Vorgesetzten
Das Verhalten gegenüber Kunden, Kollegen und Vorgesetzten war stets freundlich und einwandfrei.

Abschließend fehlen der Beendigungsgrund sowie ein Dank und ein Bedauern über das Ausscheiden, diese wären aber bei einem einvernehmlichen Ausscheiden zu erwarten. Derartige Auslassungen gelten als Hinweis auf Streit bzw. Probleme, evtl. im Zusammenhang mit dem Ausscheiden.

Wenn Sie das Zeugnis von Experten aufwerten lassen möchten, um beim Arbeitgeber direkt diese unterschriftsreife, verbesserte Zeugnisfassung als Formulierungsvorschlag einzureichen, finden Sie hier schnelle und günstige Hilfe: http://www.arbeitszeugnis.de/ueberarbeitung2.php
Klaus Schiller, arbeitszeugnis.de
Personalmanagement Service GmbH
schiller@arbeitszeugnis.de

- Alle Angaben ohne Gewähr -


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