Hallo Herr Schiller,
ich habe nach siebenmonatiger Tätigkeit als juristischer Sachbearbeiter in der Widerspruchsstelle der Agentur für Arbeit nun mein Zeugnis erhalten und bin über dessen Umfang, Form und Inhalt absolut entsetzt! Wäre toll, wenn Sie vielleicht mal kurz drüberschauen und mir mitteilen könnten, ob Sie meine Einschätzungen (s.u.) in etwa teilen...
Ich habe es einfach mal exakt 1 zu 1 (fehlende Kommata, Punkte, Rechtschreibfehler entsprechen dem Original!) abgetippt :
Bundesagentur für Arbeit
Agentur für Arbeit
Stadt X
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Agentur für Arbeit, 12345 Stadt X Mein Zeichen: 812-2006.6
Datum: 16 Juni 2005
Zeugnis
Herr XXXXXXX XXXXXXX, geboren am xx.xx.xxxx war in der Zeit vom 13.10.2004 bis zum 08.05.2005 in einem befristeten Arbeitsverhältnis bei der Agentur für Arbeit XXXXXXXX (Stadt) beschäftigt.
Während dieser Zeit war Herr XXXXXX als Sachbearbeiter für Angelegenheiten nach dem Sozialgerichtsgesetz tätig.
Zu seinen Aufgaben gehörten insbesondere die Sachbearbeitung von Widerspruch- und Klageangelegenheiten im Bereich SGB II und SGB III.
Die ihm übertragenen Aufgaben wurden zu meiner vollsten Zufriedenheit erledigt.
Besuchern gegenüber zeigte sich Herr XXXXXX stets freundlich, zuvorkommend und hilfsbereit.
Das Verhalten Vorgesetzen und Mitarbeitern gegenüber war jederzeit einwandfrei.
Das ursprünglich bis zum 30.06.2005 befristete Arbeitsverhältnis endete mit Ablauf des 08.05.2005 auf Wunsch des Mitarbeiters durch Auflösungsvertrag, da Herr XXXXXXXX beabsichtigte, eine andere Tätigkeit aufzunehmen
Für die hier geleistete Arbeit spreche ich Herrn XXXX meinen Dank aus und wünsche ihm für den weiteren Berufs- und Lebensweg alles Gute.
Im Auftrag
xxxxxx
(xxxxxx)
Meine Anmerkungen:
1.) Der Leistungsteil beschränkt sich auf die pauschale Angabe meiner Tätigkeitsbereiche (dabei aber auch nur "insbesondere"! Und sonst? Was sonst?) ohne jede weitere Differenzierung. Dass ich bis zum Jahreswechsel 200 Widersprüche nach SGB III (=Arbeitslosengeld I), ab dem Jahreswechsel dann gerichtliche Klage-, Berufungs- und Eilverfahren nach SGB III und im Bereich des nagelneuen und bekanntlich schwerst umstrittenen SGB II (AlgII= Hartz IV) betreut habe, bedarf offenbar keiner Erwähnung. Motivation, Arbeitsweise, Erfolg, Effizienz, besondere Kenntnisse, Einarbeitungszeit etc., sprich alles, was in einen Leistungsteil gehört, ebenfalls. Ob die einsam im Raum stehende Leistungszusammenfassung "vollste Zufriedenheit" dadurch glaubwürdig erscheint, halte ich für fraglich.
2.) Überhaupt die Leistungszusammenfassung: Meines Wissens entspricht "stets zu vollsten Zufriedenheit" der Note 1, "stets zur vollen Zufriedenheit" der Note 2, "zur vollen Zufriedenheit" der Note 3. Was aber soll dann "zur vollsten Zufriedenheit" bedeuten?!? Im Übrigen: die Formulierung "Die ihm übertragenen Aufgaben wurden zu meiner vollsten Zufriedenheit erledigt" stößt mir noch aus anderen Gründen auf:
a) "die ihm übertragenen Aufgaben" hört sich m.E. so an, als wäre ich jeglicher Arbeit möglichst aus dem Weg gegangen und hätte nur widerwillig das bearbeitet, was mir "aufs Auge gedrückt" worden ist. Dem war keineswegs so, was mir auch von allen Seiten wiederholt und unaufgefordert bescheinigt worden ist.
b) "zu meiner...Zufriedenheit" gefällt mir nicht, weil ich den/die Unterzeichner/in nicht kenne, weder persönlich noch in sonstiger Weise. Leider lässt das Zeugnis dessen/deren Funktion auch in keiner Weise erkennen. Wenn meine Vorgesetzte, mit der ich täglich Rücksprache hielt, das Zeugnis unterschrieben hätte, sähe die Sache natürlich anders aus...
c) "wurden...erledigt": die passive Konstruktion lässt Distanz erkennen; ferner hört es sich an, als habe ich meine Arbeit nicht selbst erledigt, sondern nur geschickt delegiert.
3.) "Besuchern gegenüber zeigte sich XXXX" ("zeigte sich" ist nie gut, oder? Wieso die unnötige Distanzierung?) "stets" (die einzige Verwendung von "stets" erfolgte ausgerechnet hier!) "freundlich, zuvorkommend und hilfsbereit" (klingt, als habe ich den Kunden zwar jederzeit nach dem Mund geredet, ihnen aber letztendlich doch nicht weiterhelfen können...). Außerdem: Wird nicht normalerweise das Verhalten gegenüber Externen erst NACH dem Verhalten gegenüber Internen bewertet? Steckt darin auch eine (negative) Wertung?
4.) Mein Vertrag war ursprünglich bis zum 28.02.05 befristet und wurde dann wegen des erdrückend hohen Arbeitsanfalls und wegen offenkundiger Zufriedenheit mit meinen fachlichen und persönlichen Leistungen um 4 Monate bis 30.06.05 verlängert. Hierzu im Zeugnis kein Wort. Eine weitere Verlängerung war aus rechtlichen Gründen (-> Kettenverträge) definitiv nicht möglich. Lediglich um nicht arbeitslos zu werden, bin ich Mitte Mai in eine andere Agentur gewechselt mit befristetem Vertrag bis 12.2007. Sehr gerne wäre ich an meiner "alten" Stelle geblieben, und ebenso gerne hätten mich Vorgesetzte wie Kollegen weiterhin dabehalten. Im Zeugnis hört es sich nun so an, als sei mir die Stelle nicht gut genug gewesen, und als hätte ich mir deswegen "was besseres" gesucht. Auch stimmt das Ausstellungsdatum nicht mit dem - wg. Auflösungsvertrages naturgemäß krummen - Beendigungsdatum überein.
5.) Die Schlussformel "Für die hier geleistete Arbeit spreche ich Herrn XXXX meinen Dank aus und wünsche ihm für den weiteren Berufs- und Lebensweg alles Gute." gefällt mir gar nicht. Kein Bedauern wird geäußert, kein Erfolg, schon gar kein "weiterer" Erfolg wird gewünscht, nur lapidar "alles Gute"...
Insgesamt eine ziemliche Zumutung und einer Behörde, die eigentlich besser wissen sollte, wie man ein Zeugnis zu schreiben hat, nicht würdig, oder? Wobei ich allerdings denke, dass sich die vielen Fehler, Ungeschicklichkeiten und Unterlassungen nicht aus Bösartigkeit, sondern aufgrund völliger Ahnungslosigkeit des Erstellers eingeschlichen haben. Aber ob das die Sache besser macht...?
Vorab herzlichen Dank für Ihre Mühe!